Hans Hekler
Lauterbach

Der kleine grüne Schneemann -
ein Märchen von Freundschaft und Liebe




lll.gif (2K) iebe Kinder,

Kennt Ihr eigentlich die Geschichte vom kleinen grünen Schneemann, von der alten silbernen Eishexe, von der alten graue Muhme, von der orangefarbenen Schneeziege Amanda, von den Rittern Blaubacke und Raubacke und der Prinzessin Clarissa, vom Elch Quasimodo und seiner Rosalinde?

iii.gif (2K) hr kennt die Geschichte nicht?
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Dann muss ich sie Euch jetzt erzählen:



iii.gif (2K) n den weiten eisigen Ebenen von Oberskandinavien lebte der kleine grüne Schneemann in seiner Eishütte. Er war ein vielseitig interessierter Schneemann, vor allem Sport und Politik interessierten ihn sehr. Fast wäre er eines Tages in den Königsrat von Oberskandinavien gewählt worden, wenn da nicht der Ritter Raubacke..... Aber das ist eine andere Geschichte, die ich Euch vielleicht später einmal erzähle.


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aaa.gif (2K) m Abend des 13. Dezember - es war ein Freitag - hatte der kleine grüne Schneemann seinem Interesse am Sport gehuldigt und war zum Fußballspiel der Schneemänner von Oberskandinavien gegen die Schneemänner von Unterskandinavien gefahren. Es war ein Freundschaftsspiel, obwohl zwischen den beiden Königreichen im Augenblick nicht viel Freundschaft herrschte. Der König von Oberskandinavien hatte nämlich seine Tochter Clarissa dem Prinzen von Unterskandinavien zur Frau versprochen, und dieser Prinz, der Ritter Blaubacke, und die Prinzessin liebten einander sehr, obwohl sie sich erst einmal bei einem Popkonzert in Unterskandinavien - beide waren ABBA-Fans - getroffen hatten. Blaubacke hatte der Prinzessin auf Anhieb gefallen und auch der junge Prinz, der einmal König von Unterskandinavien werden sollte, hatte sich sofort in die schöne Königstochter verliebt.

rrr.gif (2K) itter Blaubacke war übrigens kein Königssohn. Die Ehe des Königs von Unterskandinavien war kinderlos geblieben. aber König Eiswinter und seine Frau Griselda hatten Blaubacke, den sie während eine Reise nach England kennengelernt hatten, adoptiert, und der Königsrat von Unterskandinavien hatte der Adoption und dem Thronfolgegesetz zugestimmt. Die einzige Gegenstimme kam von Ritter Grünbacke, einem Vetter des oberskandinavischen Ritters Raubacke.
Dieser Raubacke - ursprünglich hieß er Rauhbacke (mit h), hatte aber nach der Rechtschreibreform, die in beiden Königreichen eingeführt wurde, das “h” aus seinem Namen gestrichen - wollte nämlich selber die Prinzessin Clarissa heiraten und König von Oberskandinavien werden. Seine Pläne gingen aber noch viel weiter: Wenn er einmal König von Oberskandinavien war, dann würde er ohne große Schwierigkeit einen Streit mit Unterskandinavien vom Zaun brechen und dieses Königreich erobern, und damit beide Königreiche beherrschen.



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iii.gif (2K) hr, liebe Kinder, habt natürlich schon erkannt, dass die Heirat von Clarissa und Blaubacke ebenfalls zu einer Vereinigung der beiden Königreiche geführt hätte. Wie schon oft in der Weltgeschichte standen sich also zwei unterschiedliche Wege gegenüber: Die Liebesheirat zwischen Clarissa und Blaubacke und die friedliche Vereinigung der beiden Königreiche oder die erzwungene Ehe des machthungrigen Raubacke mit Clarissa mit anschließendem Eroberungskrieg. Ich kann mir vorstellen, wofür Ihr Euch entscheiden würdet, aber lasst mich weitererzählen.....
aaa.gif (2K) m Abend des 13. Dezember war der kleine grüne Schneemann, wie gesagt, auf der Rückreise vom interskandinavischen Fußballspiel; und da gingen ihm viele Gedanken zur politischen Situation in den beiden Königreichen durch den Kopf. Er konnte Raubacke, der sich als Kronprinz des Königreichs fühlte und auch entsprechend aufführte, nicht leiden. Die Abneigung war gegenseitig, denn Raubacke wusste, dass der kleine grüne Schneemann ein kluger Kopf war. Deshalb hatte der machtgierige Ritter durch Bestechung der Ratsmitglieder die Aufnahme des kleinen grünen Schneemanns in den oberskandinavischen Königsrat verhindert.



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aaa.gif (2K) ls der kleine grüne Schneemann zu seiner Eishütte kam und gerade seinen kleinen Hundeschlitten in die Garage fahren wollte, fingen die beiden Hunde fürchterlich zu bellen an. Vor der Hütte war ein Schlitten geparkt und der kleine grüne Schneemann erkannte sofort, dass er Besuch von seiner Tante hatte. Vor den Schlitten war nämlich die orangefarbene Schneeziege Amanda gespannt, allerdings zum Schutz gegen die Kälte mit einer warmen Decke zugedeckt, sodass nur der Kopf und die fast roten Hörner zu sehen waren. Nachdem die Hunde sich beruhigt hatten - sie kannten Amanda von vielen Besuchen - ging der kleine grüne Schneemann in seine Hütte und da saß am Feuer seine Tante, die alte graue Muhme, und schien sehr beunruhigt.
"Guten Abend, Frau Muhme, was führt dich mitten in der Nacht zu mir?”, fragte der kleine grüne Schneemann.

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"Ach, kleiner grüner Schneemann, etwas Schreckliches ist passiert, und ich brauche deine Hilfe”. Die Muhme war so aufgeregt, dass ihr Kopf wackelte wie ein Tulpenkelch im Wind.

“Erzähl´ , erzähl´”, drängte sie der kleine grüne Schneemann.

“Der böse Ritter Raubacke hat Clarissa entführt und hält sie in seinem Schloss an der Grenze gefangen. Er will König Sommerfrost erpressen, damit der das Gesetz ändert und Clarissa mit Raubacke vermählt. Du weißt, dass die Prinzessin dem Ritter Blaubacke versprochen ist und ihn auch von Herzen liebt. Wenn Raubacke die Prinzessin nicht freilässt, werden unterskandinavische Truppen sie befreien und das bedeutet Krieg. Blaubacke will keinen Krieg, aber der machtgierige Raubacke lässt ihm fast keine andere Wahl.”
Der kleine grüne Schneemann kratzte sich lange am Kopf.
“Liebe Muhme, da ist guter Rat teuer. Wir müssen einen Plan machen, wie wir Clarissa befreien können.”
Sie beratschlagten sehr lange, bis sie ihren Plan endlich ausgearbeitet hatten.....


iii.gif (2K) hr, liebe Kinder, seid sicher gespannt, was den beiden eingefallen ist.
Zunächst legten sich die beiden für zwei Stunden aufs Ohr. Man muss nämlich vor großen Unternehmungen ausgeruht sein, damit man nichts Unüberlegtes tut.
Dann fuhren sie gemeinsam im Schlitten der alten grauen Muhme zur alten silbernen Eishexe, einer entfernten Verwandten, die für ihre Weisheit und ihr Geschick bekannt war. Nachdem sie ihr von den Ereignissen und ihrem Plan erzählt hatten - das meiste wusste die alte silberne Eishexe ohnehin schon, da sie ja sehr weise war - machten sie sich alle drei auf den Weg zum Grenzschloss des Ritters Raubacke. Im nahegelegenen Dorf mieteten sie sich in einem Gasthaus mit Bäckerei ein und schickten den Wirt über die Grenze nach Unterskandinavien, um mit Ritter Blaubacke Verbindung aufzunehmen.




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bbb.gif (2K) laubacke hatte seine Truppen bereits in Alarmbereitschaft gesetzt, aber als er von dem Hilfsangebot des kleinen grünen Schneemanns hörte, entschloss er sich, mit dem Gastwirt über die Grenze zu gehen und sich die Pläne seines Freundes anzuhö­ren. Blaubacke kannte den kleinen grünen Schneemann von zahlreichen interskandi­navischen Fußballbegegnungen. Schließlich hatte er - Blaubacke - das Fußballspielen aus England mitgebracht und zu einer festen Einrichtung in den nordischen Ländern gemacht. Der kleine grüne Schneemann war jahrelang Trainer der oberskaninavi­schen Schneemänner gewesen, während Blaubacke die unterskandinavischen Schnee­männer trainiert hatte. Bei vielen Begegnungen hatten die beiden Trainer bewiesen, dass sie sehr wohl zwischen sportlicher Gegnerschaft und menschlicher Freundschaft unterscheiden konnten. Man kann also wirklich sagen, dass die beiden so etwas wie Freunde waren. Blaubacke hatte sogar einmal ein Fußballtreffen mit seinem alten englischen Club geplant, doch der kleine grüne Schneemann hielt es für ratsam, seine Mannschaft nicht dem warmen englischen Klima auszusetzen. Wer weiß, was mit den skandinavischen Schneemännern und ihrem Trainer passiert wäre? Denkt mal drüber nach, liebe Kinder!

aaa.gif (2K) ls Blaubacke im Wirtshaus eintraf, hatte der kleine grüne Schneemann schon einiges organisiert, was zur Befreiung von Prinzessin Clarissa zu tun war.
“Gut, dass Ihr gekommen seid, königliche Hoheit”, begrüßte er den hohen Gast, doch dieser wollte von so viel Förmlichkeit nichts wissen.
“Was soll der Quatsch, kleiner Grüner? Wir sind doch Sportsfreunde. Nenne mich Blaubacke, wie du es immer getan hast. Was hast Du vor?”
“Unser Plan ist folgender”, begann der kleine grüne Schneemann. "Wir wollen versuchen, ins Schloss zu kommen und Clarissa mit Hilfsmitteln zu versorgen, damit sie uns bei der Befreiung helfen kann. Wir drei. die Muhme, die Eishexe und ich werden uns als Händler verkleiden und im Schloss Brot und Kuchen verkaufen. Wir haben nämlich gehört, dass Raubacke ein Fest zu Ehren Clarissas veranstalten will, bei dem er seine Verlobung mit der Prinzessin bekannt geben wird. Dazu soll es aber gar nicht kommen. Der Bäcker, bei dem wir hier wohnen, wird einige Kuchen backen, in denen nützliche Gegenstände eingebacken sind. Und in einem Kuchen wird auch eine Nachricht für Clarissa sein. Siehst du hier diesen Kuchen mit dem “C” aus Zuckerguss? Der ist für Clarissa bestimmt, und darin wird sie unsere Nachricht finden."
iii.gif (2K) n einem der drei Brote war ein Haken verborgen, und in zwei weiteren großen Broten steckten je zwölf Meter eines dünnen aber absolut reißfesten Seiles, wie es in den oberskandinavischen Seilereien hergestellt und in alle Welt vertrieben wird. Zweimal zwölf Meter mussten es sein, denn das Schlossfenster von Clarissas Zimmer - so hatte der schlaue Bäcker herausgefunden - war genau dreiundzwanzig Meter und zweiundfünfzig Zentimeter über dem Schlossgarten. Wenn man bedachte, dass das Seil am oberen Ende und in der Mitte geknotet werden musste, dann waren zweimal zwölf Meter genau richtig kalkuliert. Ihr habt schon mitgerechnet, liebe Kinder? Richtig: es bleiben achtundvierzig Zentimeter für die beiden Knoten.

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lll.gif (2K) iebe Kinder, ich glaube, ich habe Euch noch gar nicht vom Elch Quasimodo erzählt.
Er gehörte der alten silbernen Eishexe und zog, wenn er Lust hatte, ihren Schlitten. Ihn konnten die drei als Händler verkleideten Lebensretter jetzt gut gebrauchen, denn immerhin hatten sie mit den vielen Kuchen und Broten eine Menge zu transportieren, und Amanda, die orangefarbene Schneeziege, war ni cht mehr die Jüngste, sie hatte auch schon ihre achtundvierzig Jahre auf dem Buckel, und das ist für eine Ziege ein hohes Alter. Quasimodo war zwar launig und faul, aber er war sehr stark. Der kleine grüne Schneemann verstand es, mit ihm umzugehen, und so war es keine Frage, dass der Elch den Transport übernehmen würde.

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Als die drei “Händler” mit ihren Backwaren am Schloss ankamen, öffnete ihnen ein brummiger Pförtner, der offenbar schlecht geschlafen hatte, das Tor.

“Seid ihr die Leute mit dem Fisch? Da wird ´s aber höchste Zeit!”, schnauzte der brummige Pförtner.

“ Nein, nein”, sagte der kleine grüne Schneemann, “wir bringen Brote und Kuchen für euer Fest.”

“Ihr könnt die Sachen hier abstellen, ich lasse sie dann vom Küchenpersonal holen.”

Das passte dem kleinen grünen Schneemann natürlich überhaupt nicht. So würde ja der ganze Plan nicht funktionieren.

“Nun, Euer Hochwohlgeboren”, schmeichelte er dem brummigen Pförtner. “Es gäbe da zu den Kuchen einiges zu erläutern. Sie sind nämlich mit Buchstaben gekennzeichnet und jeder ist für eine bestimmte Person gedacht. Das müssten wir den Leuten von der Küche erklären. Und schließlich wollen wir auch kassieren.”

Widerwillig gab der brummige Pförtner nach und ließ die drei samt ihrem Schlitten mit den Backwaren - gezogen von Quasimodo, der heute sehr folgsam war, - ins Schloss hinein.

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ddd.gif (2K) er Küchenmeister  war wesentlich freundlicher als der brummige Pförtner, man merkte sofort, dass er im Ausland, genauer im deutschen Schwarzwald, im berühmten "Hirsch” in Schramberg, ausgebildet worden war. Von dort hatte er auch süddeutsche Spezialitäten wie Maultaschen und Spätzle mitgebracht und in Oberskandinavien eingeführt. Sein Herr, der Ritter Raubacke, war bekannt dafür, dass er siebenundzwanzig Maultaschen auf einmal verspeisen konnte.

Als der Küchenmeister die drei “Händler” mit ihren Kuchen und Broten sah, war er froh, denn sie halfen ihm aus einer peinlichen Notlage. Er hatte vor lauter Arbeit mit den Maultaschen nämlich vergessen, an Kuchen und Brot zu denken.
“Stellt die Sachen hier ab und gebt mir die Rechnung”, sagte der Küchenmeister.
“Wenn ich mir eine Bemerkung erlauben darf, Euer Gnaden”, sagte die alte silberne Eishexe, “Wir haben gehört, dass hier im Schloss Verlobung gefeiert werden soll. Deshalb haben wir unsere Kuchen besonders fein verziert und mit Namen in Zuckerguss versehen. Es wäre besonders darauf zu achten, dass Prinzessin Clarissa diesen Kuchen mit dem “C” erhält, und diese drei Brote braucht die Prinzessin unbedingt für ihre Schlankheitsdiät. Es sind Spezialbrote, die überhaupt nicht dick machen. Wäre auch einmal etwas für Euch.” Dabei schaute die alte silberne Eishexe verschmitzt auf das üppige Bäuchlein des Küchenmeisters, das unter der weißen Schürze nicht zu übersehen war.

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Diese kühne Bemerkung überhörte der Küchenmeister geflissentlich. Die Maultaschen schmecken halt auch mir, dachte er bei sich, und wozu soll ich schlank sein? Ich will ja keine Prinzessin heiraten.

“Also gut”, sagte er schließlich. "Wir werden das so erledigen. Die Prinzessin muss ohnehin auf ihrem Zimmer bleiben, bis das Fest beginnt. Bis dahin wollen wir sie mit Euren Sachen versorgen.”

iii.gif (2K) hr könnt Euch denken, dass den drei Freunden je ein Stein vom Herzen fiel, weil ihr Plan bis hierher so gut geklappt hatte. Jetzt kam es darauf an, ob Clarissa rechtzeitig die Nachricht in ihrem Kuchen finden würde. Die drei ”Händler” kassierten ihr Geld und verließen das Schloss, wobei dann Quasimodo doch ein wenig aus der Rolle fiel. Stellt euch vor: Am Häuschen des brummigen Pförtners hob er - wie ein Hund - ein Bein und ..... Naja, Ihr wisst schon.

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ppp.gif (2K) rinzessin Clarissa saß allein in ihrem Zimmer, das ja zugleich ihr Gefängnis war.
Sie war einundzwanzig Jahre alt und sehr hübsch, wenn man davon absah, dass ihre Schönheit auf ein paar Pfunde zuviel verteilt war. Um die Hüften hätten es ein paar Kilo weniger sein können. Die Prinzessin wusste das auch, aber sie wusste ebenso, dass sie ihrem geliebten Blaubacke so gefiel, wie sie war. “Ich mag jedes Pfund an Dir”, hatte er ihr beim ABBA-Konzert gesagt. “Schließlich ist Agnetha auch nicht gerade dünn, oder?”
Während Clarissa an ihren Liebsten dachte klopfte es, und der Küchenmeister trat mit einem großen Korb ein.
“Königliche Hoheit, ich bringe Euch zu essen. Ein kleiner Kuchen und drei Brote für Eure Diät.”
Clarissa war erstaunt und vermutete sofort, dass hier vielleicht Ritter Blaubacke die Hand im Spiel hatte. Sie ließ sich aber ihre Überraschung nicht anmerken und entließ den Küchenmeister, um sich dann sofort aufgeregt an den Kuchen zu machen.
Eigentlich wäre ja eine Scheibe Diätbrot angebrachter gewesen, aber der Zuckerguss auf dem Kuchen sah zu verlockend aus. Sie konnte einfach nicht widerstehen.


iii.gif (2K) hr wisst natürlich, liebe Kinder, wie wichtig es war, dass Clarissa ausnahmsweise Heißhunger auf süßen Kuchen hatte und die Diätbrote links liegen ließ. Im Kuchen fand sie nämlich folgende Nachricht vor:

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Liebe Clarissa,

Dies ist eine Nachricht von Blaubacke. In den drei Broten findest du wichtige Hilfsmittel für deine Befreiung. In einem Brot ist ein Haken, und in den beiden anderen sind zwei Seile, die du zusammenknoten musst. Mit dem Haken befestigst du das Seil, das du aus den beiden Teilen zusammengeknotet hast, am Innern deines Fensters.
Um Neun Uhr werde ich unter deinem Fenster im Schlossgarten sein und “Waterloo” pfeifen (du weißt unser Lieblingslied von ABBA). Dann wirfst du das Seil hinunter und wartest, bis ich zu dir hochgeklettert bin.
Ich Liebe dich, dein Blaubacke.


mmm.gif (2K) it glutroten Wangen las Clarissa das Brieflein mehrfach durch. Sogleich fing sie an, die Brote aufzuschneiden und die Sachen herauszunehmen. Ihre Uhr zeigte viertel vor acht, sie hatte also zwei Stunden Zeit, alles vorzubereiten. Aber sie musste auch bedenken, dass Raubacke jeden Abend um acht zu ihr kam und versuchte, sie umzustimmen, sodass sie möglicherweise doch freiwillig in eine Ehe mit ihm einwilligte. Jedes Mal hatte sie ihn brüsk abgewiesen. Er sagte dann immer: “Naja, schöne Prinzessin, wenn Ihr Euch ziert, es gibt auch andere Wege.”
Clarissa wusste natürlich, dass er damit die Anwendung roher Gewalt meinte. Oh, wie sie ihn hasste, diesen bösen Mann!
Nun hieß es, klug und überlegen zu handeln. Clarissa versteckte Haken und Seile hinter einem Sessel und legte sich auf das Bett, um eine wenig zu lesen. Es dauerte nicht lange, da betrat - natürlich ohne anzuklopfen - Raubacke das Zimmer.
“Guten Abend, schöne Prinzessin”, sagte er mit süßer Stimme. “Habt Ihr Euch mein Angebot überlegt?”
“Ich werde Euch nicht heiraten”, wiederholte Clarissa zum fünften Mal, denn seit vier Tagen war sie Raubackes Gefangene.
“Ihr wisst, was das bedeutet?” Raubacke war schon weniger freundlich.
“Und wenn es meinen Tod bedeutet, ich werde nicht Eure Frau. Mein Bräutigam ist Blaubacke und er wird alles tun, um mich von hier zu befreien.”
Raubacke hatte wohl keine andere Antwort erwartet. “Ihr seid unbelehrbar, aber ich gebe nicht auf. Übrigens, morgen abend findet hier ein Fest statt, bei dem ich unsere Verlobung bekannt geben werde.”
Sprach´s, ging aus dem Zimmer, und schlug die Tür hinter sich zu, um sie anschließend von außen abzuschließen.
Clarissa war froh, dass der grobe Kerl verschwunden war, denn nun konnte sie sich in aller Ruhe an die Vorbereitungen für ihre Flucht machen.


iii.gif (2K) nzwischen hatte der kleine grüne Schneemann den Befreiungsplan zusammen mit Blaubacke und der alten silbernen Eishexe weiter ausgearbeitet. Gegen halb neun Uhr machten sich die alte silberne Eishexe, die alte graue Muhme, der kleine grüne Schneemann und Ritter Blaubacke im Schlitten der alte graue Muhme auf den Weg zum Schloss. Den Elch Quasimodo nahmen sie gleichfalls mit, aber ohne Schlitten, er konnte auch als Lastträger verwendet werden und wenn er gute Laune hatte, ließ er auch jemanden auf sich reiten.

qqq.gif (2K) uasimodo hatte noch eine weitere außergewöhnliche Fähigkeit: Unter bestimmten Umständen konnte er fliegen. Das kam daher, dass sein Vater zu den Zugtieren des Weihnachtsmannes gehört hatte, und deshalb fliegen gelernt hatte. Auf Quasimodo hatte sich die Eigenschaft zwar vererbt, aber er konnte nur fliegen, wenn er verliebt war. Und im Augenblick - am Samstag, den 14. Dezember - war er in der Tat sehr verliebt in Rosalinde, die Elchkuh, und auch Rosalinde war dem kräftigen jungen Elch sehr zugetan. Der kleine grüne Schneemann wusste natürlich, von der Liebelei der beiden Elche und hatte deshalb Quasimodos Flugkünste in seinen Plan eingebaut.

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Blaubacke und der kleine grüne Schneemann brauchten Quasimodo um über die vier Meter hohe Mauer von Raubackes Schloss zu kommen, denn nur so war es möglich, unter das Fenster von Clarissas zu kommen. Natürlich konnte Quasimodo immer nur eine Person tragen, denn selbst der kleine grüne Schneemann hatte sein Gewicht. Blaubacke meinte aber, der kleine grüne Schneemann sei wichtig als Aufpasser und wollte ihn deshalb unbedingt im gut bewachten Schlosshof dabei haben.

Die alte silberne Eishexe und die alte graue Muhme sollten dagegen außerhalb des Schlosses warten, um die befreite Prinzessin möglichst rasch im Schlitten aufzunehmen und in Sicherheit zu bringen.

aaa.gif (2K) ls die vier zum Schloss kamen, war alles ruhig. In einigen Fenstern brannte Licht, und in der Küche ging es noch geschäftig zu. Blaubacke schwang sich auf Quasimodo und ließ sich von ihm im Flug über die Mauer tragen. Der verliebte Elch war willig und kehrte unverzüglich zurück, um auch den kleinen grünen Schneemann in den Schlosshof zu bringen. Quasimodo versteckte sich dann in einem Gebüsch.
Ihr liebe Kinder, fragt euch vielleicht jetzt, warum die Retter nicht gleich mit Quasimodo zu Clarissas Fenster hinaufgeflogen sind. Dazu müsstet Ihr einmal einen Biologielehrer fragen. Der würde auch erklären, dass ein fliegender Elch für seine Landung eine Grundfläche von mindestens einem Quadratmeter brauchte, und so groß waren die Fenstersimse in Raubackes Schloss natürlich nicht. Auch ein Flug durch das offene Fenster und eine Landung im Zimmer kam nicht in Frage, da der Elch für das kleine Zimmerfenster viel zu dick war. Blaubacke hatte schon Bedenken, wegen der etwas breiten Hüften seiner Geliebten, aber er hoffte, dass sie es schaffen würde.


iii.gif (2K) nzwischen war es genau neun Uhr geworden und Blaubacke spitzte gerade die Lippen um "Waterloo” zu pfeifen, da geschah etwas Unerwartetes: Ein Wachsoldat bog um die Ecke und kam direkt auf die beiden Retter zu. Obwohl der kleine grüne Schneemann einen dunklen Umhang trug, war sein hellgrünes Schneemanngesicht in der Nacht gut zu sehen. Jetzt galt es überlegt zu handeln.
“Leg dich auf den Boden, Blaubacke”, flüsterte der kleine grüne Schneemann. “Deck dich mit meinem Umhang zu, dann wird man Dich nicht sehen.”
“Und du?”, fragte Blaubacke.
“Keine Bange, wirst gleich sehen.”
Was meint ihr, was der kleine grüne Schneemann jetzt tat? Er stellte sich bewegungslos vor den am Boden liegenden Blaubacke und rührte sich nicht vom Fleck.
“Hm, da war doch heute mittag noch kein Schneemann”, wunderte sich der Wachsoldat. “Den haben wohl die Kinder des Küchenpersonals gebaut.”

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Der kleine grüne Schneemann hielt den Atem an, und es gelang ihm tatsächlich, den Soldaten zu täuschen. Der hielt den unechten Schneemann für so echt, dass er zwei Schneebälle formte und sie dem kleinen grünen Schneemann seitlich an den Kopf drückte, weil ihm die kleinen Originalohren unseres Helden zu klein vorkamen.

“Gut, dass er nicht auch noch an meiner Nase was zu meckern hat”, dachte der kleine grüne Schneemann und war froh, als der Wachsoldat verschwunden war.

Er schüttelte sich kurz und nahm Blaubacke seinen Umhang wieder ab. Jetzt war Eile geboten: Es war bereits zwei Minuten nach neun. Blaubacke ließ den verabredeten Pfiff ertönen, Clarissa öffnete das Fenster und ließ das Seil herunter. Blaubacke prüfte, ob es fest genug verankert war und zog sich mit seinen kräftigen Armen hinauf.

”Ach, Liebster, wie froh bin ich, dass du gekommen bist”, hauchte die Prinzessin, nachdem sich Blaubacke ins Zimmer hineingeschwungen hatte. Der Kuss, den sie sich gaben, war in Anbetracht der gebotenen Eile fast ein wenig zu lang. Aber die große Liebe und die lange Trennung forderten ihren Tribut.

Als sich ihre Lippen endlich lösten, gab Blaubacke seiner Geliebten genaue Anweisungen für den Abstieg. Clarissa hatte im Turnunterricht Seilklettern geübt, aber natürlich nicht über eine Höhe von dreiundzwanzigeinhalb Metern.

“Du musst dich gut festhalten”, sagte Blaubacke. “Und stütz dich mit den Beinen an der Hauswand ab, dann kannst du gut hinunterklettern. Unten wartet ein Freund.”

Clarissa hatte im Gegensatz zu ihrem schlanken Geliebten größere Schwierigkeiten durch das kleine Schlossfenster zu kommen. Während sie sich durchzwängte, schwor sie zu allen Heiligen, in Zukunft streng ihre Diät einzuhalten und die Finger von den süßen Sachen zu lassen. Doch schließlich war sie draußen und begann den Abstieg. Es war leichter als sie gedacht hatte.

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Clarissa kannte den kleinen grünen Schneemann nur vom Erzählen, aber als sie ihn im Schlosshof sah und schließlich neben ihm auf dem festen Boden stand, wusste sie sofort, wer er war.

Zusammen warteten die beiden, bis auch Blaubacke heruntergeklettert war. Dann holte der kleine grüne Schneemann Quasimodo aus dem Gebüsch und die drei begannen in der Reihenfolge Prinzessin, Prinz, Schneemann die Flugreise über die Schlossmauer. Gerade als der kleine grüne Schneemann als letzter den Elch bestiegen hatte und den Rückflug begann, bog wieder der Wachsoldat um die Ecke.

Ihr könnt euch denken, dass er nicht schlecht staunte, als er feststellte, dass der Schneemann, dem er eben noch zwei Ohren verpasst hatte verschwunden war. Da es in Oberskandinavien nie wärmer als vier Grad unter Null wird, konnte der Schneemann ja nicht geschmolzen sein.

“Da ist was faul”, dachte der Soldat, und als er dann noch das Seil an der Schlosswand baumeln sah, schlug er Alarm und trommelte die ganze Wachmannschaft zusammen. Auch Raubacke, der gerade in der Dusche gewesen war, kam im Bademantel in den Schlosshof gerannt.

“Die Prinzessin ist geflohen”, rief der Wachsoldat, und als er dann den Schneemann erwähnte, da wusste Raubacke Bescheid: Der kleine grüne Schneemann hatte wieder einmal seine Hände im Spiel gehabt. Der aber war inzwischen sicher jenseits der Schlossmauer gelandet. Schnell gab er den anderen Anweisungen:

“Amanda muss ihr Bestes geben”, rief er der alten grauen Muhme zu. “Ihr müsst alle vier so schnell wie möglich ins Schloss von König Sommerfrost fliehen. Raubacke wird sicher seine ganzen Truppen mobilisieren, um die Prinzessin zurückzuholen.”

“Und was machst Du?”, fragte Blaubacke.

“Ich muss mit Quasimodo noch etwas Wichtiges erledigen”, sagte der kleine grüne Schneemann geheimnisvoll. "Los jetzt, beeilt Euch!”

www.gif (2K) ährend die Prinzessin und der Prinz, die alte silberne Eishexe und die alte graue Muhme im von Amanda gezogenen Schlitten davon sausten, bestieg der kleine grüne Schneemann noch einmal den Elch und flüsterte ihm “Rosalinde” ins Ohr. Da schwang sich der verliebte Quasimodo hoch in die Luft und umkreiste zusammen mit dem kleinen grünen Schneemann Raubackes Schloss. Dieser hatte sich inzwischen angezogen und war auf die höchste Zinne des Schlosses gestiegen, um Ausschau zu halten, in welche Richtung Clarissa und ihre Helfer geflohen waren. In der Dunkelheit, war dies natürlich schwierig, doch so ganz dunkel war die weite Eben um das Schloss nicht, denn es waren viele Sterne am Himmel und der Schnee glänzte, sodass ein einzelner Schlitten, der über das Land fegte, gut zu sehen war.
Der kleine grüne Schneemann hatte geahnt, dass Raubacke auf die Zinne steigen würde. Für ihn war dies die Gelegenheit, mit dem bösen Ritter abzurechnen und zugleich den Frieden in ganz Skandinavien zu sichern.
“Jetzt heißt es aufgepasst, Quasimodo”, flüsterte er seinem fliegenden Reittier ins Ohr, während sie das Schloss umkreisten. Raubacke, der den davon sausenden Schlitten am Horizont ausgemacht hatte, wollte gerade von der Zinne heruntersteigen, da traf ihn etwas hartes am Kopf. Ihr könnt euch sicher denken, was es war. Richtig: Quasimodo, der fliegende Elch, hatte den bösen Ritter mit einem seiner Vorderläufe - so nennt der Fachmann die Vorderbeine - getroffen. Raubacke taumelte kurz, und ehe er sich versah, war Quasimodo schon wieder da und traf ihn diesmal mit einer Schaufel seines Geweihs. Raubacke war außer sich vor Wut und versuchte, den Elch bei dessen dritten Anflug zu packen. Dabei lehnte er sich zu weit über die Brüstung und verlor das Gleichgewicht. Ein langgezogener Schrei gellte durch die Nacht, und der böse Ritter stürzte zweiundfünfzig Meter in die Tiefe.
Ihr könnt euch vorstellen, dass er diesen Sturz nicht überlebte.


ddd.gif (2K) amit, liebe Kinder, hatte der kleine grüne Schneemann nicht nur die Prinzessin von Oberskandinavien gerettet, er hatte auch den bösen Störenfried besiegt. Von Raubacke konnte keine Gefahr mehr für die beiden Königreiche ausgehen.
Alle Zeitungen und Nachrichtensender berichteten am nächsten Tag vom Unfalltod des Ritters Raubacke, und in den Hofnachrichten wurde die Hochzeit von Clarissa und Blaubacke angekündigt, die neun Tage später, an Heilig Abend, gefeiert werden sollte.
Einladungen gingen an die Großen in aller Welt, und sie kamen alle. Sie kamen aus Amerika, Russland und China, aus dem Schwarzwald, aus Wachenheim und Ettlingen, aus Lauterbach und Sulgen.
Es war ein großes Fest. Natürlich waren auch der kleine grüne Schneemann, die alte silberne Eishexe, die alte graue Muhme dabei. Und Quasimodo? Er bekam den oberskandinavischen Verdienstorden Erster Klasse von König Sommerfrost, der bei der Verleihung einen Scherz machte, den nicht alle verstanden.

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”Hier ist der Verdienstorden der A-Klasse für einen gelungenen Elchtest”, sagte der König, und der kleine grüne Schneemann schmunzelte, denn er wusste Bescheid. Quasimodo bekam auch seine geliebte Rosalinde, und er konnte von diesem Tag an immer fliegen. Ja, die Liebe kann Flügel verleihen.

mmm.gif (2K) an feierte bis zum 6. Januar des nächsten Jahres ............
   

ENDE



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